Und da waren wir wieder: Indien!
Schon früh im letzten Jahr war klar, dass wir wieder nach Indien reisen wollten, und auch, dass dieses Mal Varanasi dabei sein würde. Auch wenn unser Reiseunternehmen uns ein bisschen gewarnt hatte, denn diese Stadt ist nicht für jeden geeignet, und zu meinem Geburtstag … ob das wohl das richtige sei?
Aber ja! Es war richtig. Und großartig. Und wirklich nicht für jeden – aber es war eine sehr intensive Erfahrung!
Varanasi gilt als die älteste durchgehend bewohnte Stadt der Welt, und ist eines der Heiligtümer des Hinduismus. Pilger und sterbende kommen hierher, um entweder im Ganges zu baden und rituelle Waschungen durchzuführen, oder sogar um hier zu sterben und sich hier einäschern zu lassen.
Familien bringen ihre Toten Familienmitglieder hierher, um sie an einem der beiden Verbrennungsstellen direkt am Ufer des Ganges einzuäschern und die Asche in den Fluß zu streuen, womit dann nämlich der Kreislauf der Wiedergeburt endet, und sie endlich ins Moksha (so in etwa wie das Nirvana) eintreten können.
Gleich nach unserer Ankunft in Varanasi, auf dem Weg zu unserem Hotel (welches eigentlich nur mit dem Boot zu erreichen ist, oder sonst zu Fuß durch verschlungene Gässchen) fuhren wir an einem dieser beiden Ghats vorbei. Ghats sind Steintreppen, die zu den Badestellen (und den beiden Verbrennungsstellen) der Hindus führen, und davon hat Varanasi reichlich.
Varanasi hat ein 7 km langes, befestigtes, einseitig steiles Ufer, auf der anderen Seite flaches Gelände/Sandbänke, die im Monsun einfach überflutet werden, und die Stadt im unteren Bereich dann einfach unter Wasser steht. Der Fluß kann dann bis zu einem Kilometer breit werden.
Alle Häuser haben einen meterhohen Sockel, so dass sie dann nicht im Wasser stehen – so auch unser Hotel: das Brijrama Palace. Schon alleine dafür hat es sich gelohnt hierher zu kommen, denn es war einfach sensationell!
Kurz nach unserer Ankunft holte uns schon unser Reisebegleiter ab und ging mit uns ans Ufer, wo wir mit einem kleinen Boot etwas am Ufer entlang fuhren … um dann an der jeden Abend stattfindenden Veranstaltung – dem Ganga Aarti – teilzunehmen, einer Huldigung der „Mutter Ganges“, einer Spirituellen Zeremonie. Wir kletterten über die vor uns anliegenden Boote also ans Ufer direkt zum Platz der Zeremonie, die uns etwa eine Stunde völlig in ihren Bann geschlagen hat (und uns an unserem Ankunftstag aus Deutschland, mit nur etwas 3 Stunden Schlaf ziemlich aus den Socken gehauen hat.) Schon der erste Tag in Varanasi: beeindruckend!
Am nächsten Morgen hatten wir einen Spaziergang und eine kleine Bootstour zum Sonnenaufgang. Es war mein sechzigster Geburtstag und gedacht hatten wir uns eigentlich das goldene Licht der aufgehenden Morgensonne zu geniessen … aber es war kalt, grau, und sehr sehr neblig. Aber gerade deshalb auch ziemlich mystisch und beeindruckend.
Schon zu dieser Uhrzeit waren die ersten Pilger im Ganges zu ihren rituellen Waschungen und es war schon viel Betrieb am Ufer.
Irgendwann gingen wir an Land und spazierten am Ufer entlang, wo wir an einem der beiden Einäscherungsstellen ankamen, aber gerade keine Verbrennung stattfand. Trotzdem war es beeindruckend, denn die ganzen Reste wie Kleidung und Holz (und auch Müll) lagen in riesigen Haufen am Ufer … unglaublich. Dass das Holz für die Verbrennungen nach Gewicht verkauft wird, dass es Sandelholz gibt, um einen angenehmeren Duft zu haben oder auch Kräuter, die das tun sollen … Am Ende wird die Asche in den Ganges gestreut, und die Familienangehörigen steigen danach auch zu rituellen Waschungen in den Fluß.
Hunde sträunen überall herum – für uns alles schwer zu begreifen. Der Umgang mit dem Tod und der Einäscherung: ich persönlich fand es eher beruhigend, denn es gehört nun mal dazu, und hat hier nichts eigenartiges. Nur dass es soooo öffentlich ist, das muss man einfach dann so hinnehmen. Dass Menschen dann tatsächlich von diesem Wasser auch trinken, wo also die Asche, Opfergaben wie zum Beispiel die geschorenen Haare von Kindern und manchmal auch noch Körperteile schwimmen … das ist unglaublich, oder?
Nach einer Pause (wir mussten ja auch irgendwann mal Frühstücken), und nachdem die Sonne sich ihren Weg durch den Nebel gebahnt hatte, zogen wir wieder los: mit einem kleinen Boot, und dieses Mal in die andere Richtung am Ganges entlang. Dann irgendwann die Stufen hoch und durch ein paar Gassen zu einer Strasse, der Autoverkehr dann irgendwann ist für uns unverstädlich, dass das überhaupt funktioniert, und dort trafen wir unseren Fahrer, der uns zum Universitätscampus brachte, wo wir einen Tempel besuchten. Ein riesiges Gelände! Und auch ein Museumsbesuch stand auf unserem Plan: das bekannte Museum Bharat Kala Bhavan – viel Kultur und Geschichte.
Die anschliessende Fahrt nach Sarnath brachte uns dann an den Ort, wo der Buddha seine der ersten Predigt hielt … eines der vier wichtigsten buddhistischen Pilgerziele überhaupt. Überreste des Dharmarajika Stupas und des sehr gut restaurierten Dhamek Stupas und den Resten der Säule des Maurya Kaisers Ashoka … danach noch ein Besuch im archäologischen Museum mit Funden von Ausgrabungen aus der unmittelbaren Umgebung aber auch ganz Indiens … viel Geschichte, und für uns am 2ten Tag der Reise fast zuviel.
Am Abend hatte unser Reiseveranstalter uns zum Abendessen eingeladen: es war der Hochzeitstag unserer Freunde und mein 60ster Geburtstag. Da unser Hotelrestaurant ausschliesslich vegetarisch war und keinen Alkohol ausschenkte, wurden wir nach ausserhalb eingeladen, wo wir „normal“ essen können sollten. Was am Ende lustig war, denn wir hatten irgendwie sowieso wieder vegetarisch – denn wo sonst, wenn nicht hier in Indien, gibt es eine derartig gute leckere Auswahl davon? Aber der Rotwein und das Bier waren lecker … aber erst mal mussten wir zum Restaurant kommen: wir sollten ein reserviertes Hotelboot zum Hauptanlegeplatz des Ortes nehmen, und das ist immerhin so 20 Minuten Bootsfahrt entfernt, um von dort mit dem Bus weiter zu fahren.
Der Bootsfahrer, dem wir noch sagten, wo wir hinwollten, nickte, fuhr los … und brachte uns auf dem Ganges zu einem anderen Boot – wir mussten mal wieder auf dem Fluss umsteigen (inzwischen konnte ich das mit meinen kaputten Füßen schon ganz gut!). Das zweite Boot fuhr mit uns (und den anderen Gästen, welche schon an Bord waren) zu dem Einäscherungsghat (ziemlich nah heran sogar), drehte dann um und fuhr wieder in Richtung Hotel, um den Gästen das Ganga Aarti vom Fluss aus zu zeigen … spannend zwar, aber wir wollten und mussten ja in die andere Richtung!
Was wir dann auch dem Fahrer sagten … etwas Unverständnis ernteten, aber dann wurde telefonisch wieder ein Boot gerufen, wir durften wieder – mitten auf dem Fluß – umsteigen, und weiter ging es.
Bis … der Motor des Bootes aussetzte. Braucht man das, Nachts, im Dunkeln, auf dem schmutzigsten Fluß der Welt? Die Strömung war jedenfalls ganz ordentlich, das Boot drehte sich von alleine und wir trieben ab … es gehen einem ganz komische Gedanken durch den Kopf in solchem Moment. Mir jedenfalls erging es so. (Was treibt im Fluß und verheddert sich in der Schiffsschraube? Nach all dem Wissen, was im Fluss so sein kann, und nach dem, was wir tagsüber so gesehen hatten … schräge Gedanken)
Die Taschenlampe des Bootsführes ging nicht, Wolfgang beleuchtete mit seinem Smartphone den Motorbereich …
Irgendwann war es dann nur eine Pflanze, welche sich in der Schiffsschraube verheddert hatte – und es ging weiter.
Das Essen war übrigens sehr lecker!
Und es kam der letzte Tag in Varanasi, bei dem „nur noch“ ein Halbtagesausflug stattfinden sollte: ein Spaziergang durch die Gässchen. Ich wollte erst nicht so mit, meine Füße taten weh, aber wann komme ich schon mal nach Varanasi? Also ging ich mit (mit Schmerzmittel ging es irgendwie), und es war ein toller Gang!
Buntes Treiben am Flussufer, extrem schmale Gassen, in denen Mopeds fahren (obwohl irgendwie kein Platz ist), sich ausser den Einwohnern, Pilgern und Besuchern auch Kühe, Hunde und Ziegen bewegen, in denen Geschäfte aller Art sind … Es wird in den Gassen gekocht und gegessen, irgendein Hauseingang entpuppte sich als Kuhstall … unglaublich!
Überall Scheiße von Affen, Kühen und Ziegen, es liegt unendlich viel Müll überall, es riecht manchmal nach Urin und anderem, aber auch nach leckerem Essen, oder Blüten oder was auch immer: eine ganz schräge Mischung!
Wir genossen den freien Nachmittag für uns: meine Freundin und ich ließen uns jeweils eine Hand mit Henna bemalen, wir hatten Tee auf der Dachterasse und beobachteten die Greifvögel, Papageien oder Affen und das bunter Treiben auf der Sandbank gegenüber des Hotels – wir brauchten etwas Ruhe, denn all die Eindrücke der letzten Tage mussten ja mal irgendwohin sacken!
Varanasi: wohl das beeindruckendste, was ich je gesehen habe.
(- und ich habe eigentlich nicht vor über die kommenden Orte dieser Reise auch so viel zu schreiben, aber das war in der kurzen Zeit schon so viel, und so beeindruckend: ich musste einfach alles hier loswerden!)